Pinzgauer Heilwissen auf den Punkt gebracht

Die Pinzgauer Vorfahren wussten genau, was ihnen gut tut. Welches Kraut gegen welche Wehwehchen oder Krankheiten wirkt, wie man es verarbeitet und anwendet, wie man die Zeichen der Natur deutet. Dieses alte Wissen ging beinahe verloren. Als Karin Buchart ihre Dissertation über das Heilwissen der Pinzgauer:innen schrieb, wusste sie wohl noch nicht, welches Feuer sie damit entfachte. Heute ist sie Obfrau des Vereins TEH® (Traditionelle Europäische Heilkunde), der sich ganz der Wissenssammlung und -vermittlung rund um heimische Heilpflanzen widmet. Besonders anschaulich werden die Kräuter übrigens am Berg der Sinne mit dem Kräuter- und Alpenpflanzenweg dargestellt. 

57 heimische Pflanzen

"Wenn du Holundersaft im November trinkst, kommst du gesund über den Winter", solche und ähnliche Weisheiten nahm Karin Buchart von alten Pinzgauerinnen und Pinzgauern während ihrer Doktorarbeit auf. Beharrlich verglich sie diese Aussagen mit dem Wissen der Schulmedizin und übersetzte sie in die Fachsprache. Am Ende waren es 57 heimische Pflanzen, bei denen sie Übereinstimmungen fand. Sie bilden heute die Grundlage der TEH® Lehrgänge und Seminare.
 

Prägungen und konditionierte Reize

Zudem fand sie heraus, dass Sätze wie: "Das Kraut, das vor deiner Haustüre wächst, ist gut für dich", ihre Richtigkeit haben. Zu unseren heimischen Pflanzen haben wir seit Klein auf einen Bezug. Kinder reagieren sehr gut auf die natürliche Wirkung der Heilkräuter. Wir werden also von Beginn an mit dem Heimischen geprägt und entwickeln konditionierte Reize. Wenn uns also etwas in der Kindheit gut getan hat, so bleibt das so bis ins hohe Alter.

Der TEH® Verein entsteht

Das Interesse an den Erhebungen der Heilkräuter steckte viele Menschen an und so entstand 2005 eine Projektgruppe. 2007 gründeten 15 engagierte Personen den TEH® Verein (Traditionelle Europäische Heilkunst), dem Obfrau Theresia Harrer und Karin Buchart vorstehen. Auf die Frage hin, warum "europäisch" und nicht "pinzgauerisch" erklärt Theresia Harrer: "Zu klein können wir das Gebiet nicht fassen. Das wäre weder ehrlich noch gut. Wir verwenden Kräuter und Pflanzen aus einem Umkreis von 80 bis 100 Kilometern. Und wenn wir bspw. Salben produzieren, brauchen wir Olivenöl." Seit der Gründung hat der TEH® Verein es sich als Ziel gesetzt, das Heilwissen der Pinzgauer:innen, regionale, traditionelle Anwendungen, Heilmittel und Rituale zu erheben, diese wissenchaftlich aufzuarbeiten, wieder zu beleben und in die Familien zu tragen. Seither haben beinahe 300 Teilnehmer:innen die Ausbildung zum/zur TEH® Praktiker:in absolviert.
 

Von der UNESCO anerkannt

"2010 war ein besonderes Jahr. Unser Verein wurde von der UNESCO-Kommission auf die nationale Liste des immateriellen Kulturerbes gesetzt. Nicht zuletzt deshalb, weil wir nicht nur das alte Wissen aufgreifen, sondern uns im Speziellen der heutigen Probleme annehmen. War es früher wichtig Mittel gegen gefrorene Finger zu haben, geht es heute darum mit beruhigenden sowie stresshemmenden Lösungen dienen zu können. Als wir dann auch noch das erste TEH® Naturwerke Geschäft in Unken eröffneten, gewannen wir die örtliche Präsenz hinzu. Vorher waren wir nicht so ‚greifbar’ - jetzt kann man uns sehen", erzählt Karin Buchart bescheiden und erzählt über die positive Entwicklung weiter: "Besonders erfreulich ist auch, dass wir seit 2012 ein zweites TEH® Naturwerk Lokal in Hollersbach und seit 2013 das erste Partner-Hotel haben - das Landhotel Rupertus in Leogang", ergänzt Obfrau Theresia Harrer.

Besondere Kräuter, besondere Wirkung

Aus der Vielzahl der heimischen Heilkräuter ist es nicht einfach "Lieblinge" herauszufiltern, aber es gibt immer welche, die man im Moment grad besonders interessant findet. So zum Beispiel der Quendel (auch wilder Thymian genannt) sowie die Bergschafgarbe (auch Wermut genannt). Man findet sie in Saalfelden Leogang am Birnhorn. Sie mögen es "kalkhaltig". In den Kalkalpen fühlt sich auch die Arnika besonders wohl - sie ist jedoch etwas weiter oben angesiedelt. Der Quendel sticht auf den Almwiesen gleich ins Auge - die lilafarbenen Polster mit ihrem angenehmen Aroma sind wunderhübsch. Gerne wird diese Pflanze für Tee (gegen verschleimten Husten), Brustbalsam (zum besseren Durchatmen) oder als Fußbalsam (pilzhemmend) verwendet. Besonders ist auch die Pflanze "Mädesüß". Sie wächst im August und wird durch ihre weißen Wedel charakterisiert. Wenn man an ihr riecht, meint man sofort, man befinde sich beim Arzt. Das liegt an der Salicylsäure (Wirkstoff des Aspirins). Mädesüß wirkt also genauso wie Aspirin, nur besser, weil es dem Magen nicht schadet. Am besten nimmt man diese Pflanze in Form von Tee (Blütenblätter), Sirup oder Tropfen (alkoholischer Auszug) zu sich.

Kräuter-Workshops

Jeden Sommer werden im Kräutergarten vom "Berg der Sinne" am Asitz in Leogang regelmäßig TEH® Kräuterworkshops veranstaltet. Auch im Sommer Erlebnisprogramm werden Heilpflanzenwanderungen mit ausgebildeten TEH® Praktiker:innen angeboten.

Bilder: Florian Lechner