Piste frei für die Helden der Nacht

Wenn die letzten Skifahrer ihre Schwünge ins Tal ziehen, die Musik in den Après-Ski Bars immer lauter wird und die Vorbereitungen fürs Abendessen beginnen. Dann ist ihre Zeit gekommen: Die Pistenraupenfahrer, die "Helden der Nacht", stehen in den Startlöchern.

Auf nächtlicher Mission

18 Uhr: Mit der Asitzbahn gondeln wir zur Bergstation und werden oben schon von Pistenraupenfahrer Stefan erwartet, der uns heute mitnimmt. "Steigt's ein", empfängt er uns freundlich und deutet auf zwei gepolsterte Beifahrersitze. Wir machen es uns gemütlich und schon geht es los. Direkt bei der Bergstation sind noch einige Urlauber und Einheimische unterwegs, die den abends geöffneten Lift zum Rodeln und Einkehren ausnutzen. Doch schon ein paar Meter von der Bergstation entfernt erwarten uns: Einsamkeit, Sternenhimmel und … viele Pisten, die für den nächsten Tag perfekt präpariert werden müssen. Die Fahrerkabine der Pistenraupe ist übrigens ziemlich fein: Komfortable Sitze, ausreichend Platz und warme Temperaturen - in Kombination mit der fantastischen Aussicht lässt es sich hier durchaus aushalten.

Zahlen, Zahlen, Zahlen

Doch schon nach ein paar Metern wird uns klar: Beim entspannten Aussicht-Genießen bleibt es nicht. Zuerst geht es über eine schmale Verbindung direkt auf dem Grat Richtung Asitzgipfel - Schwindelfreiheit empfohlen. Dann wird die Pistenraupe bei der neuen Asitzkogelbahn mit der Seilwinde an einem Anker fixiert, um die relativ steile Piste sicher und schonend zu präparieren. Versiert bedient Stefan die Pistenraupe mit Gaspedal und Joystick, der das Schild vorne in alle Richtungen bewegt. Gleichzeitig erzählt er uns mehr über die technischen Details der Maschine und bringt uns ganz schön zum Staunen: 480 PS sind es, die das ca. 14 Tonnen schwere Gerät über den Schnee bewegen. Pro Jahr ist eine Pistenraupe etwa 1.000 Stunden über 2000 Kilometer hinweg im Einsatz. Die Maschine, in der wir sitzen dürfen, ist bereits 11 Jahre alt und voraussichtlich noch 2 Jahre am Berg unterwegs. In der Anschaffung kostet eine Pistenraupe etwa 350.000 €. Getankt wird seit dem heurigen Winter 2022/23 mit GTL, ein synthetischer Dieselkraftstoff, welcher aus Erdgas gewonnen wird und der ungiftig, fast geruchlos und biologisch abbaubar ist. Zum Tanken gibt es am Asitz zwei "Tankstellen": eine an der Mittelstation und eine bei der Forsthofalm. Der Diesel wird dafür vor dem Winter auf den Berg gebracht.

Stahlseil? Lebensgefahr!

Während wir Stefan mit Fragen löchern, fährt er gekonnt die ca. 30 Grad steile Piste hoch und runter und verteilt den Schnee gleichmäßig. Wurde uns bei der ersten so steilen Talfahrt noch etwas mulmig zumute, gewöhnt man sich mit der Zeit an das Fahrgefühl auf der Schräge, bei dem definitiv volle Konzentration angesagt ist. Die Seilwinde wird genutzt, um einen Teil des Gewichtes der Pistenraupe abzufangen und gleichmäßiger und auch schneller arbeiten zu können. Skifahrer darf allerdings keiner mehr unterwegs sein, denn wer das Stahlseil übersieht, schwebt in Lebensgefahr. Bei besten Bedingungen, also ganz kalten Temperaturen, kann eine Pistenraupe sogar 50 Grad steile Flächen überwinden - auch ohne Winde. Heute könnte man den Schnee eher als Slush bezeichnen, viele Hügelchen haben sich bei den warmen Temperaturen gebildet, die geebnet werden müssen. Die Nacht ist relativ klar, das ist aber nicht immer so: "Ganz schwierig ist es bei Sturm und auch bei Nebel", erklärt Stefan. Und auch den ein oder anderen technischen Defekt hat er schon erlebt, der dann direkt vor Ort behoben werden muss - so leicht lässt sich eine Pistenraupe schließlich nicht abschleppen.

Die perfekte Piste

"Unsere" Piste wird immer gleichmäßiger, der berühmte Feinripp tritt zutage. Wie man ein Gefühl für die perfekte Piste bekommt? "Selber Skifahren hilft auf jeden Fall. Ich geh auch gerne am nächsten Morgen und schau mir an, wie sich die von mir präparierte Piste fährt", erzählt Stefan, der schon seit 20 Jahren mit der Pistenraupe am Berg unterwegs ist. Eine Zeit, in der sich definitiv das ein oder andere verändert hat: Zum einen wird nur noch präpariert, wenn keine Skifahrer mehr auf den Pisten sein dürfen. Zum anderen gab es technische Neuerungen, wie zum Beispiel die digitale Schneehöhemessung. Dafür unterstützt ein spezieller Bildschirm die Pistenraupenfahrer, auf dem die aktuelle Schneehöhe mit verschiedenen Farben dargestellt wird. Vor dem Winter wird dafür der ganze Pistenbereich abgeflogen und vermessen, damit dann mittels in der Pistenraupe eingebauten GPS-Sendern die momentane Schneehöhe rund um die Pistenraupe angezeigt werden kann.

Geschlafen? Wird am Morgen

Für die Pistenraupenfahrer beginnt der Einsatz um 16 Uhr. Nach einer gemeinsamen Besprechung der aktuellen Bedingungen werden die Fahrer für verschiedene Pisten, darunter auch die Rodelstrecke und der Winterwanderweg, eingeteilt und machen sich nach offiziellem Pistenschluss an die Arbeit. Am heutigen Abend geht es aufgrund des weichen und bearbeitungsintensiven Schnees voraussichtlich bis 2 Uhr nachts. In manchen, eher wenigen, Nächten sind die Pistenraupenfahrer "schon" um 23 Uhr fertig, bei anhaltendem Schneefall kann es aber auch um einiges länger dauern. Das bedeutet: viele Stunden alleine in der Pistenraupe, nur aufgelockert durch Unterhaltung aus dem Radio und dem ein oder anderen Funkkontakt mit den Kollegen. "Dafür muss man der Typ sein", bestätigt Stefan, "gleichzeitig ist der Job aber ziemlich familienfreundlich, denn untertags kann ich gut mit meinen Kindern etwas unternehmen oder Skifahren gehen". Gearbeitet wird 4 Tage, dann sind 2 Tage frei. Trotz oder gerade wegen der ungewöhnlichen Arbeitszeiten haben die Pistenraupenfahrer keine Nachwuchsprobleme.

Männerdomäne? Fast!

In Leogang sind es 12 männliche Pistenraupenfahrer, die ihr Werk verrichten. Mit 8 Pistenraupen, wohlgemerkt. Einige von ihnen arbeiten auch im Sommer beim Lift, andere sind dann als Lastwagenfahrer, Zimmerer oder Tischler tätig. Der älteste ist mit seinen 60 Jahren bereits den 37. Winter Pistenraupenfahrer. In anderen Skigebieten sind inzwischen auch schon Frauen mit der schweren Maschine unterwegs, in St. Anton beispielsweise. "Machbar ist der Beruf für Frauen auch", meint Stefan. Mit B-Führerschein und einer umfassenden Einschulungszeit ist der Job für alle offen, die Gefühl für Schnee, Geschick im Umgang mit der Maschine und Bereitschaft für Nachtdienste am Berg mitbringen. Und langweilig wird es nicht, bestätigt Stefan, denn "von den Bergen kriegt man nie genug".

Ein anderer Blick auf die Piste

Nach unserer Mitfahrt bleibt vor allem eins: Respekt. Vor diesen Männern, die beinahe die ganze Nacht unterwegs sind, um den Skifahrern diese traumhaften Abfahrten zu ermöglichen. Fast unbemerkt, erkennbar nur durch die sich bewegenden Lichter am Berg. Beim nächsten Mal Skifahren werden wir beim Blick auf den Feinripp definitiv daran denken, wie es sich anfühlt, da oben zu sein. Zurückdenken an diese Ruhe am nächtlichen Berg, die Kraft der Maschinen und die unglaubliche Aussicht auf die Steinberge. 

Ein Hoch auf die Helden der Nacht!

Bilder: saalfelden-leogang.com