Interview: Von Null an

Tausende Jahre war der Bergbau prägend für die Region um Leogang. Vor rund drei Jahrzehnten hat ihm Hermann Mayrhofer ein Denkmal im Ort geschaffen: im Bergbau- und Gotikmuseum Leogang. Täglich arbeiten er und sein Team an der Weiterentwicklung des Museums.

Von Anfang an

Hermann Mayrhofer gehört einer der ältesten Familien Leogangs an. Über 450 Jahre ist sie in diesem Ort beheimatet. Mayrhofer selbst wurde bereits in jungen Jahren Gemeindeamtsleiter und lernte so Leogang und seine Bewohner ganz genau kennen: "Durch meine Tätigkeit erhielt ich einen Einblick ins dörfliche Leben und in das Innerste der Menschen hier." Dabei wurde ihm klar, dass für das Dorf die Gefahr bestand, die eigene Identität zu verlieren. Die 1960er und 1970er Jahre waren in Leogang vom aufstrebenden Tourismus geprägt, der einen wirtschaftlichen Aufschwung für die Region brachte. "Besonders als im Jahr 1970 die Wintertourismuserschließung gelang machte sich das sehr stark bemerkbar", erklärt Hermann Mayrhofer. Ein Großteil der Menschen war von nun an damit beschäftigt, genügend Übernachtungsmöglichkeiten für die ankommenden Touristen zur Verfügung zu stellen. Für die Geschichte und Traditionen der Region blieb denkbar wenig Zeit.

Bewusstseinsbildung

Für Hermann Mayrhofer spielten aber genau diese eine wichtige Rolle in seinem Leben. "Ich denke, das habe ich von meinem Elternhaus und meinen Lehrern in der Schule mitbekommen - dieses Verständnis für die Wichtigkeit der eigenen Geschichte." In seiner Funktion als Gemeindeamtsleiter ließ er Kleindenkmäler restaurieren und versuchte bei den Menschen ein Bewusstsein für besondere Geschichten im dörflichen Alltag zu schaffen. "Egal ob es die kaiserliche Linde oder die Knappenkapelle St. Anna und ihr einzigartiger Altar war, ich habe den Leuten gezeigt, dass sich dahinter Geschichten verstecken, die uns und unser Dorf betreffen", erzählt Mayrhofer. Genau dieser Altar - mit seinen profanen Darstellungen des Bergbaus und den Abbildungen der Schutzheiligen - sollte auch der Anstoss für das Bergbau- und Gotikmuseum Leogang sein. "Daraus entstand eigentlich die Idee, sich in einem Museum auf Bergbau und Gotik zu spezialisieren."

Lieber ungewöhnlich

Das Museum in Leogang ist also kein Bergbaumuseum, wie man es aus anderen Orten kennt. Grubenlampen und Eisenpickel sucht man vergebens. Eine Mineraliensammlung gibt es zwar, aber sie ist nicht das zentrale Stück des Hauses. "Das Mittelalter war die Hochphase des Bergbaus in Leogang und die Gotik die damals vorherrschende Kunstrichtung. Da war es für uns ganz klar, neben dem Bergbau auch die daraus resultierende Kunst der Gegend auszustellen", erklärt Mayrhofer die ganz natürliche Verknüpfung der zwei Komponenten des Museums, die vielleicht nicht von allen Menschen sofort verstanden wird. Am Verständnis der Menschen hat es insgesamt das ein oder andere Mal gefehlt. Bevor das Museum 1992 eröffnet wurde, arbeitete Mayrhofer an der Etablierung eines Schaubergwerks in Schwarzleo. "Damals haben die Leute gesagt: Was wollen die denn jetzt in das Loch runtersteigen?", lacht Hermann Mayrhofer. Die Skepsis wich allerdings recht schnell einer gewissen Neugier und das Schaubergwerk wurde nicht nur bei der einheimischen Bevölkerung ein voller Erfolg.

Museum ohne Exponat

Ähnlich skeptisch waren einige Menschen, als Mayrhofer das Projekt Bergbau- und Gotikmuseum in Angriff nahm, ohne ein einziges Ausstellungsstück zu haben. "Wenn ich jetzt darüber nachdenke, waren wir schon ein bisschen verrückt." Trotz aller oder gerade wegen dieser Verrücktheit eröffnete 1992 das Museum. Die wenigen Exponate wurden sehr geordnet ausgestellt und jeder Raum erhielt einen eigenen Schwerpunkt. Die internationale Kritik war begeistert und immer mehr Besucher und Besucherinnen kamen. "Wenn du etwas Durchschnittliches machst, wird niemand dafür und niemand dagegen sein", ist Mayrhofer überzeugt - und erfreut darüber, dass er sich nie beirren ließ. Als im Jahr 2003 mehr als 20.000 Menschen zur Ausstellung "Maria - Licht im Mittelalter" kamen, wurde es offensichtlich, dass das Museum zu klein geworden war. In den folgenden Jahren wurde es um 250 m² unterirdisch vergrößert. Mittlerweile besteht es aus zwei miteinander verbundenen Häusern und einer Schauschmiede. Es gibt Kooperationen mit dem Kulturforum Prag, Dauerleihgaben der Sammlung Leopold und Exponate aus dem Louvre. "Wir haben von Anfang an auf hohe Qualität gesetzt, teilweise sehr teure Anschaffungen gemacht für die ich lange betteln gehen musste, die sich aber, langfristig gesehen, auszahlen", erzählt Mayrhofer, überzeugt, den richtigen Weg gewählt zu haben.

Zukunft mit Geschichte

Wie dieser Weg für das Bergbau- und Gotikmuseum in Zukunft aussehen kann, ist für Hermann Mayrhofer sehr klar. Eine Liste mit mehr als 15 Titeln für künftige Ausstellungen liegt in seinem Büro. An einigen wird auch schon konkret gearbeitet. Außerdem möchte er die Jugend stärker involvieren, damit auch in den nächsten Jahrzehnten die Geschichte des Bergbaus in Leogang und die Identität des Ortes bewahrt werden. Denn: "Ich habe zwar stets in Leogang gelebt, aber ich bin ein weltoffener Europäer und viel gereist. Die Verbundenheit zur eigenen Heimat ist für mich nicht Ausdruck irgendeines Nationalismus, sondern Bedingung, um den globalen Kontext in unserer modernen Welt zu verstehen."

Bilder: Bergbau- und Gotikmuseum Leogang, Sophie Kirchner